Ein Erfahrungsbericht von Demenzlotsin Helene Böhm (Caritasverbandes Siegen-Wittgenstein)
„Wir wollen die Versorgung von Menschen mit Demenz nachhaltig sichern und verbessern.“
Die Demenzlotsin Helene Böhm des Caritasverbandes Siegen-Wittgenstein berichtet in diesem Beitrag über ihre Arbeit im Projekt „Routine DeCM“. Sie ist Demenzlotsin und Ergotherapeutin im Caritasverband Siegen-Wittgenstein e.V.. Seit April 2017 arbeitet Helene Böhm in der Tagespflege Eremitage mit dem Schwerpunkt Betreuung der Gäste. Durch ihre langjährige Erfahrung in dieser Tätigkeit ist sie mit dem Thema Demenz und häusliche Versorgung sehr vertraut. Die Weiterbildung zur Case Managerin hat sie im Rahmen des Projektes gemacht.
Die verantwortliche Bereichsleiterin Charlotte Boes im Bereich Altenhilfe und die Mitarbeitenden sind der Überzeugung, dass das Casemanagement eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung häuslicher Versorgung von Menschen mit Demenz spielen kann und freuen sich über die Möglichkeit, durch die Mitwirkung an der Studie „Routine DeCM“ diese Versorgungsform weiterzuentwickeln.
Lesen Sie nun was Helene Böhm von ihrer Arbeit als Demenzlotsin zu berichten hat.
„Nach meiner Weiterbildung zur Demenzlotsin arbeite ich seit Juli 2022 in dieser Tätigkeit. Die erste Herausforderung war, Menschen zu finden, die diesen Dienst in Anspruch nehmen wollten. Dazu habe ich Zugang zum Netzwerk „Leitungsrunde Altenhilfe“ in meinem Verband erhalten. Aber auch durch Pressemitteilungen und durch Empfehlung haben sich Menschen mit Demenz und ihre An- und Zugehörigen bei mir gemeldet.
Die Begleitung der Familie Friese – Hagen1
Um Ihnen meine Arbeit näher vorzustellen, möchte ich Sie mitnehmen zu Familie Friese. Familie Friese ist im südlichen Siegerland beheimatet. Frau Friese lebt mit ihrem Sohn im Haus, in ihrem eigenen Haushalt. Frau Friese ist verwitwet und hat zwei Söhne und eine Tochter. Bei einem kurzen Telefonat zur Terminvereinbarung berichtete mir die Tochter Frau Hagen, dass ihre Mutter eine beginnende Demenz hat. Seit längerem schon ist die Organisation des Alltags erschwert, da das Kurzzeitgedächtnis immer mehr in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Tochter berichtet, dass ihre Mutter häufig das Duschen vergesse und sie sich immer häufiger verläuft.
Mein erster Besuch
Der Termin war gemacht und meine Tasche mit meinen Informationsmaterialien und meinem elektronischen Fragebogen war gepackt. Es konnte also losgehen. Bei meinem ersten Besuch waren alle da. Frau Friese und ihre drei Kinder. Was bewegte die Familie und insbesondere Frau Friese? Antworten auf diese Fragen zu bekommen, dass ist das Ziel des ersten Besuchs.
Um die Familie und ihre Belange kennenzulernen, habe ich im Verlauf des Besuches viele Fragen gestellt, Beobachtungen gemacht und Daten erhoben.
In der Projektgruppe haben wir einen Leitfaden entwickelt. Dieser Leitfaden beinhaltet verschiedene Fragebögen, die unterschiedliche Bereiche abfragen. Es werden zum Beispiel Fragen zum körperlichen Hilfebedarf gestellt, ob es Mobilitätshilfen gibt oder diese Benötigt werden, welche Unterstützung bei der Morgen- und Abendhygiene benötigt wird, ob es Probleme mit dem Essen gibt, sei es in der Zubereitung sowie beim Essen selber, ob Unterstützung in der Haushaltsführung benötigt wird.
Wir befragen die ärztliche Behandlung, wie oft welcher Arzt besucht wird, aber auch welche Medikamente oder Therapien verordnet sind und ganz wichtig, ob Sie Schmerzen haben. Weiter fragen wir auch wie es Ihnen geht, wie die Stimmung ist, ob Sie Ängste und Sorgen haben, ob Sie gut geschlafen haben. Ganz wichtig wir schauen auch, was Sie schon haben, wo Sie Entlastung erfahren, welche Entlastungsleistungen Sie noch brauchen.
Durch die EDV-gestützte Befragung sind am Ende die vorhandenen Bedarfe zu erkennen. Darüber hinaus nehme ich die geäußerten Wünsche und Bedarfe aller Familienmitglieder auf.
Die Auswertung aller Befragten und allem Befragten gilt als Grundlage für die gemeinsame Entwicklung von Problemlösungen.
Manche Fragen lassen sich schon während des ersten Gespräches klären, wie das Erstellen einer nicht vorhandenen Vorsorgevollmacht, der Bedarf an Entlastungsleistungen, der Hinweis auf Physiotherapie oder Ergotherapie, nur um einige Beispiele zu nennen. Das ist ganz wichtig und schafft sofort Entlastung. Außerdem habe ich immer Informationsmaterial dabei. Sollte keine Vorsorgevollmacht vorhanden sein, so wie bei Frau Friesen, empfehle ich, diese zeitnah auszufüllen, um bei Bedarf abgesichert zu sein. Bei manchen Fragen bedarf es einer längeren Planung oder Vorbereitung wie etwa der Antrag auf Erhöhung des Pflegegrades, das Finden einer Tagespflegeeinrichtung oder die Beantragung von Hilfsmitteln.
Und wie geht es weiter?
Nach der Auswertung aller Fragebögen und Wünschen der Angehörigen habe ich mit Frau Hagen telefoniert, um ihr das Ergebnis mitzuteilen.
Es kam heraus, dass Frau Friese einen höheren Pflegegrad haben könnte, dass ein Pflegedienst in Bezug auf das Duschen eine gute Lösung wäre und dass der Besuch der Tagespflege eine Ergänzung wäre. Ich habe Frau Hagen am Telefon mitgeteilt, dass sie sich von der Pflegekasse einen Antrag auf Überprüfung des Pflegegrades besorgen sollte und diesen dann ausgefüllt an die Pflegekasse zurück zu senden. In vielen Fällen unterstütze ich die Familien bei solchen Formalitäten. Des Weiteren haben wir besprochen, dass sie Kontakt zu einem Pflegedienst aufnimmt, damit diese das Duschen übernehmen können. Eine Liste mit den unterschiedlichen Anbietern in ihrer Region kann ich dann zur Verfügung stellen. So auch in diesem Fall. Für die Entlastung tagsüber, habe ich die Tochter ermutigt, mit der Tagespflegeeinrichtung aufzunehmen, damit ihre Mutter noch weitere Tage dort verbringen kann.
Frau Hagen und ihre Geschwister haben diese Ideen dankbar aufgenommen. Eine spürbare Entlastung und Gelassenheit aller beteiligten Familienmitglieder konnten schnell festgestellt werden. Die Kinder wissen ihre Mutter gut versorgt, was den Alltag aller entlastet. Durch die vermehrte Ansprache und Anregung hat sich der Appetit von Frau Friesen stabilisiert.
Und was passiert dann?
In regelmäßigen Abständen erkundige ich mich bei Frau Hagen nach ihrer Mutter und der Situation. Sollten bei den Telefonaten neue oder veränderte Bedarfe bestehen, beraten wir gemeinsam, wie wir dies lösen können. Des Weiteren frage ich immer nach, wo ich noch unterstützen kann. Mit Einverständnis der Familie stehe ich im engen Kontakt mit der Tagespflege, um mich nach dem Befinden von Frau Friesen zu erkundigen, aber auch um gemeinsam zu schauen wie wir Familie Friesen weiter unterstützen können. Sollte der Bedarf bestehen, besuche ich jederzeit die Familie wieder.
Das ist mir wichtig!
Als Demenzlotsin ist mein Ziel, die Familien individuell nach ihren Bedürfnissen zu unterstützen und zu begleiten. Ich möchte Ansprechpartner für die Menschen mit Demenz wie sein soziales Umfeld sein. Ziel ist es, dass der Mensch mit Demenz bzw. kognitiven Einschränkungen so lange wie möglich in seinem eigenen zu Hause bleibt kann. Es geht darum Hilfsangebote zu machen, Hilfe zu koordinieren und das Wohlbefinden zu steigern sowie die eigenen Netzwerke zu stärken. Durch die enge Kooperation im Netzwerk „Dementia Care Management“ und vielen anderen Diensten ist es möglich Hilfsangebote zu konkretisieren und zu bündeln.
Wenn Sie Fragen oder Interesse an einer Begleitung haben, dann schauen Sie sich gerne auf unserer Website um. Meine Kolleg*innen und ich stehen Ihnen gerne für weitere Fragen zur Verfügung.“
1 Alle Namen sind im Sinne des Datenschutzes geändert.